Der Euro ist keine Alternative zur Krone

Mojmír Hampl (Die Presse 28.7.2010)

Replik auf „Euro in Osteuropa als Heilsbringer oder Teufel“ von Christoph Thanei.

Der Irrtum ist tief verwurzelt, dass die Mitgliedschaft in der Eurozone ein Merkmal für die Qualität der Wirtschaft sei. Die bloße Tatsache, dass im betreffenden Land mit dem Euro gezahlt wird, sagt noch nicht viel über seine Wirtschaftspolitik, Ungleichgewichte oder langfristige Wettbewerbsfähigkeit. Nach der Griechenland-Krise ist diese Tatsache fast jedermann klar geworden, obwohl sie für die Eurozone von Beginn an Gültigkeit hatte. Von der Qualität der Wirtschaft zeugt die heimische Wirtschaftspolitik. Einem Land kann es gut gehen mit eigener Währung oder ohne sie, mit dem Euro oder ohne ihn.

Der Euro hat außerdem nicht viel von dem gehalten, was von seinen Gründungsvätern erwartet wurde. Er hat die abweichende Struktur der unterschiedlichen europäischen Wirtschaften nicht aufeinander abgestimmt und die Länder der Eurozone nicht aneinander angenähert. Auch das versprochene Wirtschaftswachstum ist ausgeblieben. Vor allem grundlegende Strukturreformen in den einzelnen Mitgliedsländern konnten nicht herbeigeführt werden. Vielfach ist das Gegenteil passiert. Da man sich hinter dem Rücken eines Währungshegemonen (Deutschland) verstecken konnte, verlangsamte sich der Reformdruck in vielen schwächeren Ländern der Eurozone. Alles nach dem Motto: Warum schmerzhafte Einschnitte vornehmen, wenn ich weiter ausgeben kann wie der Grieche und dabei Geld zu gleichen Zinssätzen wie der Deutsche bekomme, ohne Sanktionsrisiko seitens des Marktes?

Viele Mitgliedsländer traten der Eurozone nicht nur, aber auch aus dem Grund bei, da sie selbst nicht in der Lage waren, eine niedrige Inflation und Währungsstabilität aufrechtzuerhalten, und diese Werte durch Bindung an die deutsche Mark „erkaufen“ wollten (Teil der Südachse der Eurozone). Andere traten bei, weil sie kurzum schon lange vor dem Euro fest an die Mark gebunden waren, da sie sowieso keine eigene Währungspolitik und kaum eine Wahl hatten (hierher gehören beispielsweise Holland oder gerade auch Österreich). Ähnliches gilt heute für Estland, das die Eurozone im nächsten Jahr erweitern wird.

Andererseits ist richtig, dass der Euro tatsächlich die Verringerung einiger Transaktionskosten und insbesondere eine niedrige und stabile Inflation gebracht hat. Das ist jedoch kein großer Gewinn für diejenigen, die eine niedrige und stabile Inflation auch ohne den Euro gesichert und dabei die eigene Währungspolitik als Instrument der Wirtschaftspolitik und gleichzeitig den freien Wechselkurs als ausreichende marktwirtschaftliche Peitsche für die eigene Wirtschaftspolitik nicht aus der Hand gegeben haben. In diese Kategorie gehören beispielsweise Tschechien und Polen, die eine niedrige Inflation durch autonome Währungspolitik ohne Fixierung des Devisenkurses aufrechterhalten.

 

Unerwartete Kosten
Das Projekt Eurozone rechnete außerdem von Anfang an kaum mit dem Phänomen sogenannter konvergierender, d.h. „aufholender“ ärmerer Wirtschaften, für die eine Wechselkursfixierung unmöglich ist, wenn sie schnell wachsen und gleichzeitig eine niedrige Inflation beibehalten wollen. Ein Land mit langjähriger Wechselkursfixierung kann der Formulierung der Beitrittskriterien zufolge im Grunde nur dann beitreten, wenn es in einer Rezession ist, beziehungsweise nur mit dem Risiko zunehmender Ungleichgewichte nach dem Beitritt.

Für ein ärmeres EU-Land gilt also nach wie vor, dass es zum Verzicht auf die eigene Währungspolitik und den Übergang zum Euro ausreichend mit der Währungszone, welcher es beitritt, synchronisiert sein muss, einen angemessenen Wohlstand auf Niveau der Eurozone erreichen und über starke Anpassungsmechanismen (stabile öffentliche Finanzen, flexibler Arbeitsmarkt) verfügen muss, welche den Verlust der heimischen Währungspolitik und den freien Wechselkurs auszugleichen vermögen. Die Lage in Tschechien ist in den letzten Jahren gleich geblieben und außergewöhnlich symmetrisch: Die Tschechische Republik ist nicht darauf vorbereitet, auf die eigene Währungspolitik zu verzichten, und der Euro ist nicht dafür gerüstet, für die Tschechische Republik eine gute Alternativwährung zu sein.

Vieles davon beruht auf allgemeinen ökonomischen Gesetzmäßigkeiten, die sich nicht überlisten lassen. Die breite Öffentlichkeit, die letzten Erhebungen zufolge einer schnellen Euro-Einführung mit knapper Mehrheit die Abfuhr erteilt, nimmt offenkundig intuitiv wahr, dass ihre jetzige Währung im Grunde glaubwürdig ist, und eine Mitgliedschaft in der Eurozone in der Zeit „nach Griechenland“ mit unerwarteten Kosten verbunden sein könnte.

Im Artikel stellt Christoph Thanei richtig fest, dass in vielen Ländern fast keine Diskussion zur Euro-Einführung stattgefunden hat. Aber das ist ja gerade der Fehler. Die Einführung der Einheitswährung ist eine schwerwiegende Entscheidung mit grundlegenden wirtschaftlichen Folgen. Und gerade darin besteht möglicherweise einer der Unterschiede der Tschechischen Republik gegenüber vielen anderen Ländern – die Fach- und Laiendiskussion wird geführt und gewinnt in den letzten Jahren an Intensität. Dies erachte ich als Vorteil und nicht als Problem.

Dem österreichischen Leser mag es letztendlich kurios erscheinen, dass die tschechische Krone als Nachfolgerin der 1892 von Kaiser Franz Joseph I. eingeführten österreichisch-ungarischen Krone noch einige Jahre lang die faktisch einzige Währung in der gesamten Region bleibt, die ihre ursprüngliche Bezeichnung aus Zeiten der österreichisch-ungarischen Monarchie beibehält und nach wie vor gute Dienste leistet.