Finger weg von der Klimapolitik (in German language)

Interview of the Deputy Governor Marek Mora
By Andreas Mihm (Frankfurter Allgemeine Zeitung 24. 3. 2021 seite 25, rubrik Finanzen)

Marek Mora, der Vizechef von Tschechiens Nationalbank, wendet sich gegen eine „grüne“ Notenbankpolitik. Sie berge einige Gefahren.

Frage: In der Klimadebatte wird zunehmend verlangt, die Geldpolitik müsse den klimapolitischen Umbau unterstützen. Sollte sie das überhaupt tun?

Antwort: Die Geldpolitik sollte dieses Ziel nicht unterstützen. Die Geldpolitik ist für andere Ziele da, vor allem für die Erhaltung der Preisstabilität.

Frage: Die Präsidentin der Europäischen Zentralbank (EZB) Christine Lagarde sieht das bekanntlich anders. Sie redet an diesem Mittwoch auf einer Klima-Veranstaltung der Europäischen Investitionsbank mit dem Untertitel: „The Make-or-Break Decade“. Geht es klimapolitisch für das Finanzsystem jetzt um „alles oder nichts“?

Antwort: Es geht sicher um viel. Aber es sollten nicht die Zentralbanker sein, die das Klima retten. Wir sind dazu nicht geeignet. Dafür gibt es andere Experten und Institutionen, die viel geeigneter sind.

Frage: Klima ist systemrelevant. Selbst die Tschechische Nationalbank benennt Klimarisiken in ihrem Risikobericht.

Antwort: Das stimmt. Aber es gibt viele systemrelevante Themen. Klima kann eines davon sein. Doch es gibt auch andere. Nehmen Sie zum Beispiel Demographie. Die Bevölkerungsentwicklung hat eindeutig Auswirkung auf Geldpolitik und Finanzstabilität, wie auch Künstliche Intelligenz oder die Globalisierung. Um das mal bewusst überspitzt zu sagen: Die Europäer sterben aus. Aber unternimmt irgendeine Zentralbank was dagegen? Nein. Warum sollten die Notenbanken dann ausgerechnet gegen den Klimawandel angehen? Das ist mir ein Rätsel.

Frage: Sie sagen, die Zentralbanken haben kein Mandat zur Bekämpfung des Klimawandels?

Antwort: So ist es. Unsere Aufgabe ist die Sicherung der Preisstabilität und der Finanzstabilität. Wir müssen die Folgen des Klimawandels in unsere Analysen einbeziehen, aber wir sollten nicht unsere Instrumente ansetzen, um den Klimawandel aktiv zu bekämpfen.

Frage: Auch die Stabilität des Finanzsystems ist ein wichtiges Ziel. Dazu bedarf es kluger Regeln.

Antwort: Das ist so. Aber was sind kluge Regeln?

Frage: Solche, die ein Agieren gegen Klimarisiken zulassen, ohne die Unabhängigkeit der Notenbanken zu gefährden?

Antwort: Das ist ein wichtiger Punkt. Die Zentralbanken sind sehr unabhängig und sehr mächtig. Ihre Macht heißt Geld produzieren. Man sieht in der letzten Zeit, was Zentralbanken alles können. Aber man sollte diese Unabhängigkeit nur für sehr begrenzte Ziele nutzen. Vor allem für das Erreichen der Preisstabilität. Notenbanken sollten allerdings nicht ihre Unabhängigkeit nutzen, um sich weitere Mandate zu suchen und sich neu zu definieren.

Frage: Sie haben Sorge, dass die Klimapolitik ein Einfallstor werden könnte für eine größere politische Einflussnahme auf die Zentralbanken?

Antwort: Genau so ist es. Was ist denn in der Finanzkrise passiert? Die Zentralbanken haben neue Aufgaben und Aufsichtsfunktionen erhalten. Aber es war allen Notenbanken immer wichtig, auf die richtige Verteilung der Verantwortung zu achten: wir hier, dort die Regierungen. Aber jetzt werden Notenbanken freiwillig auf einem Gebiet tätig, für das sie kein Mandat haben. Man versucht, die Welt zu retten. Das ist aber nicht die Aufgabe der Zentralbanken. Am Ende kann das wirklich sehr gefährlich werden. Heute mag es einen Konsens über die Bedeutung der Klimapolitik geben, aber wer weiß was morgen folgt? Mir geht es hier nicht um die Klimafrage, es geht um die Rolle einer Zentralbank.

Frage: Welche konkreten Gefahren fürchten Sie?

Antwort: Über die grundsätzlichen Risiken für die Unabhängigkeit der Zentralbanken haben wir schon gesprochen. Der Schutz der Umweltpolitik und des Klimas ist ein diffuses Ziel. Was ist nachhaltig? Ich zum Beispiel glaube, dass Verbrennungsmotoren, wo Deutschland so spezialisiert ist, auch sehr klimafreundlich sein können. Für uns in Tschechien ist die Atomenergie eine saubere Energie in Bezug auf die CO2-Emissionen. Das alles führt zur Frage: Was ist eigentlich grün? Ob man sich da einigen wird? Ich sehe zudem die Gefahr einer „grünen Blase“, ähnlich der, die vor gut einem Jahrzehnt in Amerika zum Teil mit den politisch erwünschten Hypothekarkrediten entstanden ist. Deshalb sollte man sehr vorsichtig sein.

Frage: Nehmen Sie da nicht eine ultraorthodoxe Haltung ein? Immerhin ist der Klimaschutz weltweit ein gesellschaftspolitisches Ziel geworden.

Antwort: Vielleicht bin ich durch meine Jahre in Deutschland zu sehr durch die deutsche ordnungspolitische Schule beeinflusst und in dem Sinne vielleicht orthodox. Aber verstehen Sie mich nicht falsch. Ich sage nicht, dass die Klimafrage nicht wichtig ist. Ich sage auch nicht, dass die globale Erwärmung nicht von Menschen verursacht worden ist. Ich frage mich nur, ob die Zentralbanken die richtigen Partner sind, das Thema zu lösen.

Frage: Also: Finger weg von der Klimapolitik?

Antwort: Ja, für die Zentralbanken gilt es: Finger weg von der Klimapolitik. Auf jeden Fall, so wie das derzeit angelegt ist. Ich denke, durch das Engagement in der Klimapolitik senden die Zentralbanken das falsche Signal an die Öffentlichkeit. Die Zentralbanken sollten nicht den Eindruck erwecken, sie könnten das Klimaproblem lösen. Man muss diese Verantwortung bei den Regierungen belassen. Es ist nicht die Aufgabe der Notenbanken, die Wirtschaft durch Eingriffe in den Allokationsmechanismus des Marktes in eine bestimmte Richtung zu steuern. Da haben die Staaten bessere Institutionen und verfügen über bessere Instrumente, wie Steuern.

Frage: Ihre Kollegen von der ungarischen Notenbank sehen das ganz anders. Die kaufen „grüne“ Bonds und Hypothekarkredite zur Unterstützung der Klimapolitik und Sanierung des Gebäudebestands auf und horten sogar „grüne“ Bonds in ihren Devisenreserven.

Antwort: Ich möchte die Entscheidungen unserer ungarischen Freunde nicht kommentieren.  Bei den Devisenreserven sollte man sich vor allem nach dem Risiko-Ertrags-Verhältnis richten, was nicht auch die nachhaltigen Investitionen ausschließt.

Frage: Tschechien ist EU-Mitglied, gehört aber nicht zum Euro-Raum. Würde eine stärker klimapolitisch ausgerichtete EZB auch ihre Arbeit beeinflussen?

Antwort: Wir nehmen wahr, was in der EZB passiert. Aber wir sehen auch, dass es innerhalb der EZB keine einheitliche Position dazu gibt. Es gibt auch andere Stimmen als die von Frau Lagarde …

Frage. .... die vom Bundesbankpräsident Jens Weidmann?

Antwort: Ich muss hier keine Namen nennen. Aber es gibt auch dort Leute, die sagen: Konzentriert Euch auf die Hauptaufgaben und geht nicht zu weit in Gebiete, für die die Regierung zuständig ist.

Frage: Fürchten sie eine Beeinträchtigung Ihrer Arbeit in Tschechien?

Antwort: Wir machen unsere Geldpolitik nach unseren eigenen Spielregeln, die mit den EU-Verträgen und mit unserer Verfassung konform sind.

Frage: Es ist müßig zu fragen, ob sie Mitglied im Netzwerk zur Ökologisierung des Finanzsystems werden wollen, dem nicht nur die ungarische und rumänische, sondern weitere 81 Zentralbanken und Aufsichtsbehörden angehören, darunter alle großen Notenbanken?

Antwort: Das haben wir nicht vor. Es mag sein, dass sich das in ein paar Jahren ändert, aber heute nicht. 

Frage: Wie bewerten Sie die wachsende Ausrichtung der Banken auf Nachhaltigkeit auch in Tschechien, etwa mit der vorrangigen Vergabe von Krediten nach ESG-Zielen (Environmental Social Governance) oder beim Aussteuern von Kohlekrediten?

Antwort: Wir nehmen das zur Kenntnis. Wir haben das nicht zu kommentieren. Das ist teilweise deren Entscheidung und teilweise kommt es mit der neuen europäischen Regulierung. Welche Folgen das für die Wirtschaftspolitik im Land hat, das muss die Regierung klären.

Frage: Ist es gerechtfertigt, dass immer mehr Unternehmen sich Umwelt- und Nachhaltigkeitszielen verschreiben?

Antwort: Früher war – frei nach Milton Friedmann – das Hauptziel eines Unternehmens, Profite zu machen. Jetzt heißt es, es gehe nicht nur um Profit, sondern auch um Nachhaltigkeit. Die Unternehmen reagieren darauf, was ihre Kunden und Aktionäre wollen. Das zu tun ist deren gutes Recht und ihre Entscheidung.